Freitag, 2. März 2007

Hessen: Vereinbarung gegen den Stromtod

Vereinbarung gegen den Stromtod - Staatssekretär Karl-Winfried Seif: „Land Hessen und Energieversorger schließen Vereinbarung zum Schutz von Schwarzstorch, Uhu & Co.“

Wiesbaden, 2. März 2007 - Nr. 83

In Hessen soll der Stromtod von Vögeln an Energiefreileitungen bald der Vergangenheit angehören, erklärt Staatssekretär Seif vom Hessischen Ministerium für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Staatssekretär Karl-Winfried Seif vereinbarte mit Experten der Staatlichen Vogelschutzwarte und mit Vertretern der Energieversorgungswirtschaft, die Verlustraten von Vogelarten an Energiefreileitungen künftig möglichst auf Null zu reduzieren. Um die Sicherungsmaßnahmen schnell realisieren zu können, setzen Vogelschutzwarte und Energieversorger auf eine enge Kooperation mit ehrenamtlichen Vogelkundlern.

Vom Stromtod betroffen sind besonders Großvogelarten mit breiten Schwingen, die Strommasten als Sitzwarten, Ruheplätze oder sogar Brutplätze nutzen. Besonders Arten wie Schwarzstorch, Weißstorch, Rotmilan, Schwarzmilan, Wespenbussard oder Uhu können Stromschlägen zum Opfer fallen. Eine von der Vogelschutzwarte durchgeführte Auswertung der Uhu-Todesfälle beispielsweise belegt, dass in Fällen mit bekannter Todesursache rund 45 Prozent der Großeulen an unzureichend gesicherten Energiefreileitungen zu Tode kommen.

Um diesen permanenten Aderlass der Vogelwelt möglichst bald zu stoppen, strebt Staatssekretär Seif eine Vereinbarung mit allen hessischen Energieversorgern an, die darauf abzielt, alle gefährlichen Strommasten im Mittelspannungsbereich nach Prioritäten gestaffelt zu entschärfen. So soll die größtmögliche Wirkung erzielt werden.
Damit würde, so Staatssekretär Seif, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung auch die Forderung des § 53 des Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt werden, der eine Absicherung der gefährlichen Mittelspannungsleitungen bis zum Jahr 2012 vorsieht.

„Glücklicherweise fangen wir nicht bei Null an“, freute sich Dr. Klaus Richarz, Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte. Die Vogelschutzwarte befasst sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema „Vögel und Freileitungen“ und kooperiert in diesem Zusammenhang bereits seit über 10 Jahren eng mit dem Energieversorger RWE und anderen regionalen Stromanbietern.

Viele Gefahrenstellen konnten Dank der guten Zusammenarbeit mit den Naturschützern auch bereits entschärft werden, erläuterten Dirk Uther und Dirk Herweg von RWE. Auch weite Teile des Leitungsnetzes im hessischen Bereich des Biosphärenreservates Rhön wurden schon abgesichert, ergänzen Eike Weldner und Michael Brehler vom der osthessischen ÜWAG.

Dennoch gibt es noch Probleme an nicht abgesicherten Einzelmasten alter Trassen und teilweise noch problematischer Sicherungssysteme in Teilbereichen Hessens. Um hier zügig Abhilfe zu schaffen, hat die Vogelschutzwarte gemeinsam mit den Energieversorgern einen Prioritätenkatalog für die Entschärfung der Mittelspannungsmasten erarbeitet, an dessen Umsetzung bereits gearbeitet wird und der Teil der gemeinsamen Vereinbarung werden soll.

An vorderster Stelle des Prioritätenkatalogs stehen die hessischen EU-Vogelschutzgebiete, die mit 14,7 Prozent bereits einen großen Teil des Landes und die wertvollsten Vogelbrutgebiete in Hessen abdecken. Besonders wichtig sind dabei die Vogelschutzgebiete mit Großvogelvorkommen wie Schwarzstorch, Weißstorch, Rotmilan oder Uhu. Aber auch außerhalb der Vogelschutzgebiete sollen wichtige Rast- und Überwinterungsgebiete sowie Nahrungshabitate nicht vernachlässigt werden.

Um die Sicherungsmaßnahmen realisieren zu können, setzen die Vogelschutzwarte und die Energieversorger auf eine enge Kooperation mit den ehrenamtlich tätigen Vogelkundlern der Naturschutzverbände, die als Beauftragte für Vogelschutz oder als Gebietsbetreuer von EU-Vogelschutzgebieten über eine hervorragende Ortskenntnis verfügen und Angaben zu den besonders problematischen Masten machen können. Die Energieversorger sind für die entsprechenden Hinweise dankbar und bemüht, Gefahrenpunkte gezielt zu entschärfen.

Dazu wird die Staatliche Vogelschutzwarte in enger Kooperation mit den Energieversorgern und dem Umweltministerium ein Merkblatt erarbeiten, in dem alle gefährlichen Masttypen und solche mit unzureichenden Sicherungstechniken dargestellt sind, so dass ein Erkennen der Problempunkte leicht möglich ist.

Staatssekretär Seif, der sich bei den Energieversorgern und der Vogelschutzwarte für die bisher geleistete sehr erfolgreiche Zusammenarbeit ausdrücklich bedankte, ist allerdings unzufrieden mit der im § 53 BNatschG getroffenen gesetzlichen Regelung. Diese fordert zwar die Energieversorger zum Handeln auf, schließt aber die Deutsche Bahn mit ihrem bundesweiten Starkstrom-Leitungsnetz komplett aus. Hier sieht Seif dringenden Handlungsbedarf auf Bundesebene, zumal Untersuchungen der Vogelschutzwarte am Beispiel des Uhus zeigen, dass immer noch über 12 Prozent der seltenen Nachtvögel an Bahnstrecken und insbesondere an Oberleitungen verenden.

Fachliche Ansprechpartner:
Dr. Klaus Richarz, Staatl. Vogelschutzwarte Tel.: 069 4201 0511
Dipl. Ing. Martin Hormann, Staatl. Vogelschutzwarte Tel.: 069 4201 0513

Auf Wunsch stellt die Staatliche Vogelschutzwarte auch Fotos und Bilddateien zur Verfügung.

Hintergrund:

Das novellierte Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) vom 25. März 2002 verpflichtet die Energieversorgungsunternehmen, an neu zu errichtenden und bestehenden Masten und Bauteilen von Mittelspannungsleitungen Maßnahmen zum Schutz von Vögeln gegen Stromschlag durchzuführen.

Als Zeitraum für die Umsetzung sind 10 Jahre vorgesehen, d.h. die Durchführung der Maßnahmen muss bis zum Jahr 2012 abgeschlossen sein.

Betroffen sind vor allem Großvögel wie Rotmilan, Uhu und Schwarzstorch. Die größten Verluste wurden in der Vergangenheit beim Weißstorch verzeichnet, für den der Stromschlag deutschlandweit die häufigste Todesursache darstellt.

Die Gefahren gehen vor allem von Mittelspannungs-Leitungsmasten bestimmter Bauweisen aus, da diese Masten ein Erdpotenzial am Mastkopf bzw. nicht ausreichende Abstände zwischen den spannungsführenden Leitungen aufweisen. Besonders problematisch sind Masten mit Stützisolatoren. Solche Bauweisen kommen zwar bei Neuerrichtungen nicht mehr zum Einsatz, doch sie sind besonders in den östlichen Bundesländern noch in großer Zahl vorhanden.

Zwischenzeitlich wurden von den Energieversorgungsunternehmen in Abstimmung mit der Staatlichen Vogel­schutzwarte eine Reihe von technischen Methoden und Einrichtungen zur Entschärfung der Problematik entwickelt und erfolgreich erprobt. Geeignete Absicherungsmaßnahmen sind unter anderem Abdeckhauben, Schlauchisolierungen oder Sitzstangen aus nicht leitendem Material. Neben der technischen Umrüstung der Masten besteht für besonders problematische Bereiche noch die allerdings sehr aufwendige Möglichkeit der Erdverkabelung.


Pressestelle
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